Akademie fürs Ohr

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Streit um die Wahlsystemreform

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Dass der Deutsche Bundestag kleiner werden muss, darüber sind sich alle Parteien einig. 736 Abgeordnete sitzen dort aktuell - 138 mehr als eigentlich vorgesehen. Schuld sind sogenannte Überhangmandate und Ausgleichsmandate. Wie eine Wahlsystemreform aussehen könnte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Nun streiten Regierung und Opposition über einen neuen Vorschlag der Ampelkoalition. Der sieht zwar vor, dass künftig regulär 630 Abgeordnete in den Bundestag einziehen, aber auch dass die Grundmandatsklausel abgeschafft wird. Sie erlaubt es Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, aber mindestens drei Wahlkreise gewinnen, dennoch entsprechend ihres Zweitstimmenanteils Abgeordnete ins Parlament zu entsenden. Vor allem für Die Linke und die CSU könnte diese Regelung gefährlich werden. Ob die Abschaffung der Grundmandatsklausel sinnvoll ist, welche Erfolgsaussichten eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht hat und was das Wahlsystem mit Politikverdrossenheit zu tun hat, erklärt Jörg Siegmund, Wahlforscher der Akademie für Politische Bildung.

Wer's genau wissen will

Wir stellen vor: Jörg Siegmund

Akademie fürs Ohr, Episode 19: Gelingt jetzt die Wahlsystemreform?

Akademie fürs Auge: Der Podcast zum Nachlesen

Episode 21: Streit um die Wahlsystemreform


Kommentare

by Helmut Schallock on
Die Kappung von direkt gewonnenen Wahlkreismandaten über die neue "Zweitstimmendeckung" bedeutet einen Systembruch im Mehrheitswahlrecht, das in den 299 Wahlkreisen den Wahlerfolg bestimmt. Hier wird nicht berücksichtigt, dass die Wählenden wie auch die Kandidaten einen Anspruch auf das gleiches Stimmgewicht und den gleichen Erfolgswert der Stimmabgabe haben. Deshalb halte ich die Kappung durch die Einführung der Zweitstimmendeckung für einen Verstoß gegen die Gleichheit der Wahl und damit gemäß Art. 38 GG für verfassungswidrig. Die Abschaffung der seit 1953 geltenden Grundmandatsklausel ist verfassungswidrig, da sie ersichtlich nur gegen die Partei die Linke und die CSU gerichtet und die Ampelparteien davon nicht betroffen sind. Es handelt sich somit um ein "Sondergesetz" zur Benachteiligung dieser Parteien im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Die Linke als in den neuen Bundesländern (= ehemalige DDR) besonders verankerte Partei und die CSU als ausschließlich in Bayern verankerte Partei haben einen Anspruch auf ein faires Wahlrecht, das bisher durch den uneingeschränkten Erfolg ihrer Wahlkreiskandidaten und die Grundmandatsklausel geschaffen wurde. Bisher konnten Parteien unabhängig von ihrem Zweitstimmenergebnis auf jeden Fall mit ihren erfolgreichen Wahlkreiskandidaten im Bundestag vertreten sein, weil diese stets einen Sitz im Bundestag errungen hatten. Waren sogar drei oder mehr Wahlkreiskandidaten für ihre Partei erfolgreich, so war diese Partei auch in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten, unabhängig von der 5 % Klausel. Deshalb halte ich die Abschaffung der Grundmandatsklausel für einen Verstoß gegen Art. 21 GG, der den politischen Parteien die Mitwirkung an der Willensbildung des Volkes garantiert. Die Grundmandatsklausel ist Ausdruck der föderalen Struktur Deutschlands, die ohne überragend andere wichtigen Wahlrechtsziele nicht abgeschafft werden kann. Wir Staatsbürger können innerhalb eines Jahres nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Bundesgesetz beim BVerfG einreichen, wenn wir durch das Gesetz selbst und unmittelbar in unseren verfassungsmäßigen Rechten betroffen werden. Die Staatsbürger in Bayern wären durch "das Verweisen" von 45 der 46 Wahlkreise, welche die CSU bei der Bundestagswahl 2021 errungen hatte, besonders betroffen, wenn die CSU bei der Bundestagswahl 2025 unter 5% der Zweitstimmen bliebe.
by Gerhard Thiel on
Die CSU hatte viele Jahre Zeit….
by Gerhard Thiel on
Die CSU hatte viele Jahre Zeit….

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Über diesen Podcast

Wie zuverlässig sind Wahlumfragen? Welche Kritik an der EU ist berechtigt und welche nicht? Und wie steht China nach dem Angriff auf die Ukraine zu Russland? Fragen wie diese beschäftigen uns in der Akademie für Politische Bildung in Tutzing am Starnberger See nicht nur in unseren Tagungen und in der Forschung. Unsere Gedanken zu aktuellen politischen Themen und gesellschaftlichen Themen teilen wir auch via Podcast mit der Welt. Bei "Akademie fürs Ohr" spricht Beate Winterer, unsere Referentin für Öffentlichkeitsarbeit & Community Management, regelmäßig mit Akademiedirektorin Ursula Münch und dem wissenschaftlichen Kollegium über aktuelle Entwicklungen in Demokratie, Wirtschaft, Medien, Europa und Zeitgeschichte.

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